Die Geheimcodes im Arbeitszeugnis

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von Philip
August 2019
verzweiflung

Die Gesetzgebung verbietet (§ 109 GewO, novelliert 2002), einen Code, der die wahre Bedeutung hinter den Formulierungen im Arbeitszeugnis verschleiert. Dennoch ist es in der Praxis Alltag einen solchen Code bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen einzusetzen.

"Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen."
– Gewerbeordnung § 109 Zeugnis, Absatz 2.

Arbeitnehmer haben ein Anrecht auf ein wahrheitsgemäßes und wohlwollendes Zeugnis. Da dies nicht immer miteinander vereinbar ist, hat sich seit dem 19. Jahrhundert eine Fachsprache zur Erstellung von Arbeitszeugnissen entwickelt: die Zeugnissprache. Diese bedient sich Umschreibungen, die als eine Art Kordierung verstanden werden kann. Da dieser Code theoretisch öffentlich zugänglich ist (Literatur, Seminare etc.) gilt die Zeugnissprache offiziell nicht als Code oder Geheimsprache, wodurch die Anwendung der Zeugnissprache im Einklang mit der Gesetzgebung steht. Da in der Praxis aber nur Experten ein umfangreiches Wissen über die Doppeldeutigkeit der Formulierungen verfügen, kann hier definitiv von einer Art Geheimcode gesprochen werden.

Die Bedeutung hinter den einzelnen Sätzen ist in der Zeugnissprache eine andere, als im normalen Sprachgebrauch. Dabei sind es oft Spitzfindigkeiten, die im Alltag als sehr penibel wahrgenommen werden, die in der Zeugnissprache aber einen gravierenden Unterschied bei der Beurteilung eine* Mitarbeiter* ausmachen.

Als Beispiel dienen hier Formulierungen in der Schlussformel. Jemanden zukünftig Erfolg wünschen gilt allgemein als nette Geste, im Arbeitszeugnis wird ein solcher Satz jedoch wie folgt ausgelegt: Für die Zukunft Erfolg wünschen bedeutet, man hatte noch keinen Erfolg! (Stichwort: weiterhin Erfolg!) Was für ein Erfolg? Wenig oder viel Erfolg? (ideal: weiterhin viel Erfolg). Diese Beispiele verdeutlichen, dass ein Code in Arbeitszeugnissen existiert. Diese hält sich jedoch an Regeln und Techniken, die ausführlich im Wissensbereich auf zeugnisprofi.com nachgelesen werden können.

Der Geheimcode in Arbeitszeugnissen

In diesem Beitrag soll es viel mehr um solche Formulierungen gehen, die eine expliziert andere Bedeutung haben, als sie erahnen lässt. Solche Formulierungen sind zum Teil explizit verboten! Welche Sätze dies sind und welche Bedeutung dahintersteckt kann unten eingesehen werden. Während es zu ungewollt negativen Bewertungen bei ungeübten Zeugniserstellern kommen kann, ist es bei der Verwendung dieser Geheimcodes eindeutig Absicht!

"Er hat durch seine Geselligkeit zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen."
– Der Mitarbeiter hatte ein Alkoholproblem hat und während der Arbeitszeit Alkohol getrunken.

Geheimcodes in Arbeitszeugnissen:

GeheimcodeBedeutung
Als umgänglicher Kollege wurde Herr Mustermann geschätzt.Es handelt sich um einen schwierigen Mitarbeiter.
Er wird als umgänglicher Kollege geschätzt.Es handelt sich um einen schwierigen Mitarbeiter.
Er war ein umgänglicher Mitarbeiter, der den Vorgesetzten jederzeit unbeschwert und offen entgegentrat.Es handelt sich um einen schwierigen Mitarbeiter.
Herr Mustermann war ein umgänglicher Mitarbeiter, der den Vorgesetzten jederzeit unbeschwert und offen entgegentrat.Es handelt sich um einen schwierigen Mitarbeiter.
Er wurde auch als umgänglicher Kollege geschätzt.Es handelt sich um einen schwierigen Mitarbeiter.
Mit Kollegen hat er sich aktiv auseinander gesetzt.Es ist zu Handgreiflichkeiten gekommen.
Herr Mustermann war ein sehr anspruchsvoller und in allen Fragen kritischer Manager.Bei dem Mitarbeiter handelt es sich um einen Nörgler.
Herr Mustermann verstand es, seine Interessen mit denen des Unternehmens in Einklang zu bringen.Dieser Mitarbeiter hat sich bereichert.
Er hat durch seine Geselligkeit zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen.Der Mitarbeiter hatte ein Alkoholproblem hat und während der Arbeitszeit Alkohol getrunken.
Er trat sowohl innerhalb wie auch außerhalb unseres Unternehmens engagiert für die Interessen der Arbeitnehmer auf.Der Mitarbeiter hat eine Betriebsratstätigkeit ausgeführt (unzulässige Formulierung).
Er war wegen seiner Pünktlichkeit stets ein gutes Vorbild.Der Mitarbeiter war pünktlich, ansonsten hat er aber nichts geleistet.
Er bewies für die Belange der Belegschaft stets Einfühlungsvermögen.Der Mitarbeiter flirtete wo es nur ging.
Er zeigte Engagement für Arbeitnehmerinteressen außerhalb des Betriebes.Der Mitarbeiter hat bei Streiks teilgenommen (unzulässige Formulierung).
Herr Mustermann verfügt über ein bemerkenswertes Bildungsniveau, mit dem er alle gesellschaftlichen Anlässe stets bereicherte.Das Bildungsniveau des Mitarbeiters ist stark unterdurchschnittlich.
Wir wünschen ihm alles Gute und Gesundheit.Dieser Mitarbeiter erkrankte regelmäßig.
Für die Belange der Belegschaft bewies er stets Einfühlungsvermögen.Der Mitarbeiter suchte Sexkontakte bei Betriebsangehörigen.
Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter.Dieser Mitarbeiter ist für Vorgesetzte unangenehm.
Wir lernten ihn als umgänglichen Kollegen kennen.Dieser Mitarbeiter war im Kollegenkreis unbeliebt.
Er zeigte für die Arbeit Verständnis.Dieser Mitarbeiter hat keine Leistung gebracht.
Mit seinen Vorgesetzten ist er gut zurechtgekommen.Es hat sich um einen Mitläufer gehandelt, der sich gut anpasste.
Er war fleißig und wusste sich gut zu verkaufen.Es handelte sich um einen unbeliebten Kollegen.
Er bewies großes Einfühlungsvermögen bei seinen Kollegen.Der Mitarbeiter ist homosexuell (unzulässige Formulierung).
Herr Mustermann nutzte jede sich bietende Gelegenheit, um sich in externen Weiterbildungsveranstaltungen fortzubilden.Der Mitarbeiter versuchte anfallende Arbeit zu entgehen.
Herr Mustermann handelte durchdacht, sorgfältig und gewissenhaft.Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit werden synonym verwendet, so dass diese Eigenschaft des Mitarbeiters als unbefriedigend bewertet wurde.

Hinweis
Hierbei handelt es sich um eine Auswahl an öffentlich zugänglichen Geheimcodes und deren Bedeutung. Es besteht weder ein Anspruch auf Vollständigkeit noch handelt es sich um eine Rechtsberatung.

Weitere Informationen zum Thema Arbeitszeugnisse finden Sie unter www.zeugnisprofi.com